Das Vergütungssystem von den Geschäftsführern einer Gesellschaft ist eines der am heftigsten diskutierten Themen in der Rechtsgemeinschaft bei Unternehmensangelegenheiten. Man stellt sich oft die Frage, ob die an die Geschäftsführer gezahlten Vergütungen bei der Körperschaftssteuer abzugsfähig sind. Der Oberste Gerichtshof Spaniens (im Folgenden: der “Gerichtshof” genannt) hat sich im Urteil 875/2023 vom 27. Juni 2023 zu diesem Thema geäußert.

Im genannten Urteil hat der Gerichtshof analysiert, ob die Gesellschaftsformalitäten in Bezug auf die Vergütung von Geschäftsführern eingehalten werden müssen, um die von ihnen erhaltenen Vergütungen steuerlich abzuziehen. Nach Ansicht der spanischen Steuerverwaltung (auf Spanisch: “Adminstración Tributaria”) würde die Nichteinhaltung der genannten Formalitäten dazu führen, dass die Vergütungen als „Schenkung“ bezeichnet würden und daher würden sie nicht abzugsfähig sein.

Der Hintegrund zu diesem ist die Vergütung einiger leitender Angestellter in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer, auf die als Mitglieder des Verwaltungsrats die so genannte „teoría del vínculo“ anwendbar wäre. Diese Theorie hat ihren Ursprung in der Rechtsprechung und besagt, dass in Fällen, in denen ein Arbeitnehmer als leitender Angestellter angesehen wird und gleichzeitig dem Verwaltungsorgan der Gesellschaft angehört, das Geschäftsverhältnis (Geschäftsführer) Vorrang vor dem Arbeitsverhältnis (leitender Angestellter) hat, das von ersterem absorbiert wird.

Im Zusammenhang mit dieser Theorie geht die spanische Steuerverwaltung davon aus, dass die Vergütung, die an eine Person gezahlt wird, die sowohl leitender Angestellter als auch Geschäftsführer ist, in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer erhalten wird (auch wenn die Vergütung gezahlt wird wegen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer) und daher müssen die im Kapitalgesellschaftsgesetzes festgelegten Anforderungen an die Vergütung von Geschäftsführern erfüllt werden. Die im genannten Gesetz festgelegten Anforderungen sind hauptsächlich (i) dass die Satzung der Gesellschaft die Vergütung des  Geschäftsführers vorsieht (Artikel 217.1 des spanischen Kapitalgesellschaftsgesetzes) – und (ii) dass der Höchstbetrag der jährlichen Vergütung von der Hauptversammlung genehmigt wurde (Artikel 217.3 des spanischen Kapitalgesellschaftsgesetzes).

Nach Ansicht des Gerichtshofs bestehen die oben genannten Anforderungen, um die Minderheitsgesellschafter zu schützen, da sie über die Vergütung der Geschäftsführer informiert werden müssen, um einen möglichen Mißbrauch zu vermeiden. Was die zweite Anforderung anbelangt, wird diese nicht eingehalten werden müssen, wenn es sich um eine Einpersonengesellschaft handelt, da der einzige Gesellschafter (i) die Satzung genehmigt, die die Vergütung des Amtes vorsieht, (ii) die Geschäftsführer ernennt und (iii) den Jahresabschluss der Gesellschaft genehmigt, so dass nicht behauptet werden kann, dass er keine Kenntnis von der Höhe der Vergütung hat.

Aus diesem Grund mein der Gerichthof, dass es sinnlos ist, vom Alleingesellschafter einen Beschluss zu verlangen, der die konkrete Vergütung der Geschäftsführer festlegt. Aus handelsrechtlicher Sicht ist es daher bei Einpersonengesellschaft nur erforderlich, dass der die Satzung der Gesellschaft die Vergütung des Amtes festlegt.

Außerdemvstellt der Gerichtshof klar, dass die Nichteinhaltung von Gesellschaftsformalitäten (sowohl bei Einzelunternehmen als auch bei Gesellschaften mit mehreren Gesellschaftern) nicht per se bedeutet, dass die Vergütung als Schenkung anzusehen ist. Wäre dies der Fall, würde es sich um eine Auslegung der Steuervorschriften handeln, die durch keine Rechtsvorschrift gerechtfertigt ist.

So sind Vergütungen, die ordnungsgemäß verbucht, anerkannt und im Gesellschaftsvertrag vorgesehen sind, als steuerlich abzugsfähig zu betrachten, unabhängig davon, ob die Generalversammlung die konkrete Höhe der Vergütung genehmigt hat (das ist eine Formalität, die bei Einzelunternehmen nicht erforderlich ist).

Was passiert jedoch, wenn die Satzung den unentgeltlichkeit des Amtes festlegt? Auch wenn dieser Fall nicht auf den vorliegenden Sachverhalt zutrifft, äußert der Gerichtshof sich darüber und gibt an, dass der Teil der Vergütung, den der Geschäftsführer in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer erhält, auch abzugsfähig wäre. Der Grund dafür ist, dass die “teoría del vínculo”, die im innerbetrieblichen Bereich Anwendung findet, im steuerlichen Bereich nur schwer umsetzbar ist, so dass ihre Anwendung in diesem Bereich mit Vorsicht erfolgen muss. Zur Untermauerung dieses Arguments beruft sich der Gerichtshof auf die Rechtsprechung des EU-Gerichtshofs (Urteil vom 5. Mai 2022, Rechtssache HJ, C-101/21) und stellt fest, dass, selbst wenn die “teoría del vínculo” zu handelsrechtlichen Zwecken anwendbar wäre, „die Abzugsfähigkeit der an einen Arbeitnehmer gezahlten Vergütungen nicht verweigert werden kann, noch können der Arbeitnehmer oder sein Arbeitgeber schlechter gestellt werden, nur weil er Mitglied des Verwaltungsorgans ist“.

Kurzum, der Gerichtshof stellt klar, dass die Abzugsfähigkeit der Vergütung, die die Geschäftsführer erhalten, nicht von der Einhaltung der Handelsformalitäten abhängt. Es gibt also zwei verschiedene Regelungen, die parallel zueinander funktionieren: die Regelung für die Vergütung der Geschäftsführer einerseits und die Regelung für die Abzugsfähigkeit der Ausgaben andererseits. Nur eine erzwungene und eigennützige Auslegung des Gesellschafts- oder Steuerrechts könnte eine Verschmelzung der beiden Regelungen rechtfertigen, was der Gerichtshof richtig ablehnt. Bemerkenswert ist auch, dass sich der Gerichtshof für eine Vereinfachung der in den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften festgelegten Anforderungen entschieden hat, wodurch ein übermäßiger Formalismus vermieden wird, der der gängigen Unternehmenspraxis widerspricht.

 

 

Joan Lluís Rubio

Vilá Abogados

 

Für weitere Informationen, wenden Sie sich bitte an:

va@vila.es

 

22. September 2023