Als wesentliche Eigenschaften des spanischen Vertriebsvertrages sind die konventionellen Vertragsauflösungsgründe sowie die Möglichkeit der Parteien im Fall von unbefristeten Verträgen diese aus eigenem Willen zu widerrufen, hervorzuheben.

Da der Vertriebsvertrag in Spanien nicht gesetzlich geregelt ist, ergibt sich seine Regelung aus der analogen Anwendung des spanischen Handelsvertretergesetzes von 1992 sowie aus einer umfangreichen Rechtsprechung diesbezüglich. Der wohl meist umstrittenste Punkt in Vertriebsverträgen ergibt sich aus deren Beendigung und aus der Angemessenheit und genauen Quantifizierung des Ausgleichanspruches.

Der Oberste Spanische Gerichtshof („TS“) beschäftigt sich einmal mehr in seinem Urteil vom 30. Mai 2016 (Streitfall Ron Brugal) mit diesem konkreten Punkt, indem er bestimmte Konzepte zur Quantifizierung des Ausgleichanspruches verdeutlicht.

An erster Stelle bekräftigt der TS erneut, dass Artikel 28 des Handelsvertretergesetzes mit einigen Abstrichen auf Vertriebsvertage anwendbar ist. Im diesem Artikel wird kein konkreter Betrag festgelegt, sondern die Berechnungsform des maximalen Ausgleichanspruchs auf welchen ein Vertreiber gegebenenfalls Anspruch hat. Diesbezüglich stellt sich die Frage, ob das Wort „Vergütung“, welches in Artikel 28 vorgesehen ist, als die Gesamtvergütung des Vertreibers, also Bruttoumsatz, oder als Nettoumsatz, ausgelegt werden muss (Urteil des TS, vom 3. Juni 2015).

Das Kriterium des erzielten Bruttogewinns, der zur Berechnung des Ausgleichsanspruches eines Handelsvertreters angewandt wird, kann ebenfalls auf Vertriebsverträge angewendet werden. Jedoch sind, wie schon das Urteil des TS, vom 22. Februar 2010 festlegte, die besonderen Umstände des konkreten Punktes zu berücksichtigen, d.h. dass der Bruttogewinn als primäres Orientierungskriterium benutzt werden kann, aber letztendlich untergeordnet gegenüber den Umständen des Vertriebsvertrags ist. In dem Urteil vom 22. Juni 2007 wurde anerkannt, dass der Ausgleichsanspruch der Vertreiber eine Gesetzeslücke in der Beendigung der Geschäftsbeziehung darstellt und dass diese durch den Willen der Vertragsparteien ergänzt werden muss. Ferner etablierte der TS in dem genannten Urteil, dass sich die Vergütung des Vertreibers aus dem Unterschied zwischen dem Kaufpreis und dem Verkaufspreis ergibt. Diese Doktrin wurde vom TS in seinem Urteil von 9. Juli 2015 bekräftigt.

Das Urteil des TS vom 30. Mai 2016 erwägt jedoch, dass das Urteil vom 22. Februar 2010 „nicht ausschlaggebend ist, da nicht festgestellt wird, ob die Berechnung des Unterschieds zwischen dem Kaufpreis und dem Verkaufspreis der Waren aufgrund Netto- oder Bruttobeträgen erfolgen muss. Zum Gegensatz verweist der TS auf andere Rechtsprüche, in denen entschieden wird, dass in Vertriebsverträgen, selbst wenn Artikel 28 des Handelsvertretergesetzes als Orientierungskriterium zur Hand genommen werden muss, der Nettogewinn des Vertreibers zu berücksichtigen ist (Urteil des TS vom 21. März 2007), also der Prozentsatz des Gewinnes, der, nachdem die Ausgaben und Steuern des Vertreters abgezogen sind, noch übrigbleibt und nicht die Gewinnspanne zwischen dem Kaufpreis der Waren und dem Verkaufspreis (Urteil des TS vom 20. Mai 2009). Der Nettogewinn eines Jahres ist der maximale Betrag auf den der Vertreiber ggf. Anspruch hat.

Der TS billigt somit in dem Urteil des Landesgerichtes von Madrid vom 10. September 2013 das angewandte Kriterium zur Berechnung des Ausgleichanspruches, d.h.:

„… in einem Vertriebsvertag, in welchem der Vertreiber immer in seinem Namen und selbstständig handelt und keine Vergütung seitens des Herstellers erhält, sondern seine Vergütung aus dem eventuellen Gewinn, der aus dem Verkauf der Vertragswaren erzielt werden kann, mit der Übernahme der verbundenen Risiken, muss unbedingt der Begriff „Vergütung“ von Artikel 28 des Handelsvertretergesetzes an die Eigenschaft und Natur des Vertriebsvertrags angepasst werden, indem er so ausgelegt wird, dass darunter der erzielte Gewinn des Vertreibers, nach Abzug von: a) dem Betrag der außerordentlichen Verkäufe, die während der Kündigungsfrist erfolgen (…) da diese die gewöhnlichen Verkäufe normalerweise überschreiten (…) und daher die Berechnung des durchschnittlichen Gewinnes beeinflussen (…); und b) diejenigen Ausgaben die der Vertreiber aufgrund der im Vertriebsvertrag festgehaltenen Vereinbarungen machen muss, wie z.B. Werbe- oder Marketingausgaben (…), verstanden wird. Allerdings können implizite Nebenkosten des konkreten Geschäftes sowie die Steuern auf dem Gewinn nicht zur Vergütung des Vertreibers abgezogen werden (Urteil des TS vom 12. März 2012).

Daher bestätigt der TS, dass der maximale Betrag des ggf. anwendbaren Ausgleichsanspruches in Vertriebsverträgen nicht automatisch an Hand des erzielten Bruttogewinns des Vertreibers berechnet werden kann. Die Auslegung des Begriffes „Vergütung“ in Vertriebsverträgen ist unterschiedlich zum Handelsvertretervertrag, da in dem ersteren der Begriff „Vergütung“ im Licht der bestimmten Abkommen der Vertragsparteien und den konkreten Umständen der Geschäftsbeziehung optimiert werden muss. Daher müssen in gewissen Fällen bei der Berechnung des Ausgleichanspruches vom Bruttogewinn verschiedene Beträge abgezogen werden, so dass letztendlich ein „Nettogewinn” erreicht wird, der als maximale Summe auf die der Vertreiber eventuell Anspruch aufgrund des Ausgleichanspruchs haben wird, gilt. Dieses Kriterium des TS entfernt sich vom Automatismus und favorisiert die Analyse der Umstände des konkreten Falles zur Berechnung des maximalen Ausgleichanspruchs, sofern die Voraussetzungen von Artikel 28 des Handelsvertretergesetzes vorliegen.

 

Eduardo Vilá

Vilá Abogados

 

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17. Juni 2016