I. Einleitung:

Artikel 101(1) des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV oder AEU-Vertrag) verbietet die Verträge oder die abgestimmten Gruppen, die mit dem EU-Binnenmarkt unvereinbar sein könnten, und die das Ziel oder die Auswirkung haben, die Mechanismen des freien Wettbewerbs des Binnenmarkts zu behindern, begrenzen oder enttäuschen.

Jedoch stellt Artikel 101(3) des AEUVs eine Freistellung von gesagten Verboten zur Verfügung, so lang wie die Verträge zu einer Verbesserung der Herstellung oder des Vertriebs der Produkte beitragen, oder den technischen oder ökonomischen Fortschritt fördern, und gleichzeitig den Verbrauchern eine gleichwertige Teilnahme des resultierenden Gewinnes anbieten.

Die Verordnung (EK) Nummer 330/2010 der Kommission (3) hat eine Kategorie von vertikalen Vereinbarungen definiert, die der Meinung der Kommission nach den Bestimmungen, die in Artikel 101(1), Absatz 3 des AEUVs vorausgesehen sind, entsprechen. Die Erfahrung – besonders in Bezug auf den elektronischen Handel –, die mit der Anwendung der Verordnung (EU) Nummer 330/2010, die am 31. Mai 2022 auslief, gesammelt war, deutete darauf hin, dass gewisse Änderungen eingeführt werden sollten, was die Interpretation der vertikalen Verträge und ihre mögliche Freistellung hinsichtlich Artikel 101 des AEUVs anbelangt.

Die Verordnung (EU) 2022/720 vom 10. Mai 2022 der Europäischen Kommission über Kategorien von vertikalen Verträgen und freigestellten abgestimmten Gruppen (Die Gruppenfreistellungsverordnung (vGVO)) ersetzt die vorherige Verordnung (EK) 330/2010, mit einer Laufzeit von 12 Jahren, die am 31. Mai 2034 sich auslaufen wird.

Desgleichen hat die Kommission einige Richtlinien in Bezug auf die vertikalen Verträge durch die Mitteilung 2022/C248/01, die am 30. Juni 2022 weitergeben wurde („die Richtlinien“), veröffentlicht. Des Weiteren sind einige Richtlinien über vertikale Verträge veröffentlicht worden.

II. Analyse und Beifügungen: 

Während der vGVO erhaltet den gleichen Gesetzesrahmen mit seinen Prinzipen aufrichtet, stellt sie auch extensive Anleitung über den Umfang des Artikels 101 der AEUV und bietet größer Flexibilität damit die Anbieter

(i) unterschiedliche Typen von Vertriebssysteme kombinieren können;

(ii) ihre Vertreiber dazu verpflichten können, die Verkaufsbeschränkungen ihrer Kunden weiterzugeben;

(iii) zahlreiche ausschließliche Vertreiber ernennen können.

Außerdem führt sie eine neue Kernbeschränkung gegen die Vorbeugung der effektiven Benutzung des Internets ein und verändert die ehemalige Verordnung, damit sie sich an das Wachstum des elektronischen Handels anpassen kann.

1. Welche Aspekte bleiben gleich?

Die gleiche Struktur der Verordnung 330/2010 wird erhaltet: Artikel 2 legt fest, dass ein vertikaler Vertrag von den vorausgesehenen Verboten des Artikels 101(1) der AEUV sich freistellen kann, so lang wie:

(i) der Marktanteil des Anbieters nicht 30% Prozent des referenzierten Markts, in dem er die Waren oder Dienstleistungen des Vertrages verkauft, übersteigt, und, dass der Marktanteil des Käufers nicht 30% des Markts übersteigt, in dem er die Waren kauft oder Dienstleistungen anbietet.

(ii) der vertikale Vertrag keine Beschränkung einschließt, die den Gewinn der Freistellung ausgleicht, und keine Abkommen oder restriktive Klauseln beinhaltet, die ausdrücklich als Kernbeschränkungen von der Verordnung angegeben worden sind.

2. Welches sind die wichtigsten Veränderungen in Bezug auf die Vertriebsverträge?

(A) Ausschließlicher Vertrieb

Was den Ausschließlichen Vertrieb angeht, erhaltet die vGVO die gleiche Definition aufrecht. Das heißt, ein Vertriebssystem, in dem der Anbieter ausschließlich ein Land oder eine Kundengruppe einem oder verschiedenen Kunden zuweist, während er gleichzeitig seinen anderen Käufern die Möglichkeit beschränkt, aktive Verkäufe in dem ausschließlichen Land oder zu der Kundengruppe durchzuführen.

    • Die vGVO genehmigt, dass der Anbieter die aktiven Verkäufe des ausschließlichen Vertreibers in einem Land oder zu einer Kundengruppe, die ausschließlich zugewiesen worden sind, auf maximal 5 Käufer beschränkt. Außerdem können sie vom Anbieter reserviert werden. Artikel 4(b)(i) der vGVO und Absatz 219 der Richtlinien.
    • Die vGVO genehmigt auch, dass der Anbieter den Rest seiner Käufer fordert, ihrer direkten Kunden das Durchführen von aktiven Verkäufen zu beschränken, in den Ländern oder zu den Kundengruppen, die der Anbieter anderen Vertreibern ausschließlich zugewiesen hat. Artikel 4(b)(i) der vGVO.
    • Die Definition eines aktiven Verkaufs ist aktualisiert und entwickelt worden, damit sie einige Beispiele aktiver Verkäufer einschließt, die mit der Vermarktung und den verkaufsfördernden Maßnahmen verbunden sind. Zum Beispiel, Verkäufe werden als aktiv eingestuft, wenn sie durch:

(i) Die Verkaufsförderung von Preisvergleichdienstleister, oder

(ii) Die Vermarktung in Suchmaschinen, die an Kunden aus spezifischen Ländern verwiesen ist, durchgeführt werden.

(B) „Selektiver Vertrieb“ (d.h. der Vertrieb durch ausgewählte Kanäle)

Die vGVO definiert den selektiven Vertrieb als ein System, in dem der Anbieter sich verpflichtet, die Waren oder Dienstleistungen des Vertrages direkt oder indirekt ausschließlich zu Vertreibern, die anhand bestimmter Kriterien ausgewählt werden, zu verkaufen. Unter diesem System, diese Vertreiber verpflichten sich auch, keineswegs gesagte Waren und Dienstleistungen zu unautorisierten Vertreibern des Landes zu verkaufen, um dieses Vertriebssystem einzusetzen.

    • Die vGVO erlaubt einige Betriebe, selektiven und ausschließen Vertrieb in unterschiedlichen Ländern binnen der Europäischen Union zu kombinieren oder mischen, und stellt auch zusätzlichen gesetzlichen Schutz für solche Vertriebssysteme zur Verfügung. Deswegen können die Mitglieder eines selektiven Vertriebssystem, das in einem Land eingeführt worden ist, verboten sein, aktive Verkäufe in dem ausgewählten Land oder zu einer für den Anbieter ausschließlich zugewiesenen Kundengruppe durchzuführen. Artikel 4(b)(ii) der vGVO.
    • Die Kombination des selektiven und ausschließlichen Vertriebes in dem gleichen Land kann keinen Nutzen von der Freistellung haben. Absatz 236 der Richtlinien. Gleichwohl kann der Anbieter entweder sich verpflichten, ausschließlich zu spezifischen Vertreibern die Waren oder Dienstleistungen bereitzustellen, in dem Land, in dem das ausschließliche Vertrieb in Funktion ist, oder sich verpflichten, keine aktiven Verkäufer in gesagtem Land durchzuführen.

(C) Die Dualdistribution

Die Dualdistribution ist eine Geschäftspraxis, in der der Anbieter seine Produkte durch zwei Methode gleichzeitig vertreibt und deshalb Wettbewerb zwischen den eigenen Vertreibern des Anbieters schafft. Unter einem System von Dualdistribution pflegt der Anbieter seine Produkte nicht nur direkt zu seinen Endkunden zu verkaufen (am Ende der Lieferkette, oder downstream), sondern auch durch eigenständige Vertreiber (am Beginn der Lieferkette, oder „upstream“).

Die Dualdistribution bleibt noch genehmigt unter der Verordnung 2022/720; zwar ist den Umfang der Freistellung verbreitet worden, sodass er jetzt die Großhändler und Einführer einschließt.

Dennoch wird der Informationsaustausch zwischen einem Anbieter und seinen Vertreibern nur freigestellt, wenn:

    • Er direkt mit dem Vollzug des vertikalen Vertrages verbunden ist, oder
    • Er notwendig ist, um eine Verbesserung der Herstellung oder des Vertreibens der Waren und Dienstleistungen hervorzubringen.
INFORMATIONSAUSTAUSCH ZWISCHEN DEN VERTIKALEN VERTRAGSPARTEIEN

Genehmigter Austausch („White List der Richtlinien)

    • Technische Information über die Ware oder Dienstleistung.
    • Information, die mit der Herstellung, dem Bestand, dem Vorrat, der Verkaufsmengen und der Rücksendungen verbunden ist.
    • Zusammengefasste Information, die mit den Verkäufern, Präferenzen und den Kritiken verbunden ist.
    • Information, die mit der Leistung des Vertreibers verbunden ist, einschließlich zusammengefasste Information über die Vermarktung und Verkaufsaktivitäten.

Ungenehmigter Austausch („Black List“ der Richtlinien)

    • Information über echte zukünftige Preise der Vertragswaren oder Dienstleistungen.
    • Information, die die Identifizierung eines konkreten Kunden erlaubt.
    • Information, die mit den Waren verbunden ist, die von einem Vertreiber unter seiner eigenen Marke verkauft werden, wenn der Anbieter oder Hersteller die Produkte eines Marktbegleiters verkauft.
Absätze 99 und 100 der Richtlinien.

(D) Online-Verkäufe

Die vGVO hat die Freistellungen aktualisiert, angesichts der Evolution der Märkte und, spezifischer gesagt, des Wachstums des elektronischen Handels und der immer relevanteren Rolle, die die Online-Plattformen für den Vertrieb von Waren und Dienstleistungen spielen. Die vGVO bricht sich dem Prinzip der Gleichheit zwischen Offline- und Online-Verkäufen der selektiven Vertriebssysteme ab, denn aller Beweis jetzt zeigt, dass die Online-Verkäufe keinen speziellen Schutz mehr brauchen.

    • Die vGVO erlaubt ausdrücklich, dass der Antreiber einige Bedingungen für den Online-Verkauf oder die Vermarktung seiner Produkte einführt. Der Antreiber kann Bedingungen sowohl über die Qualität oder das Ansehen der Produkte auf der Webseite des Vertreibers einführen, als auch über die Weise, mit der die Waren oder Dienstleistungen, oder die Marke des Anbieters, auf der Webseite des Vertreibers angezeigt werden müssen. Artikel 2(1) der vGVO und Absatz 208 der Rechtlinien.
    • In bestimmten Fällen kann der Antreiber die Benutzung der Plattformen oder Märkte für den Vertrieb seiner Waren verbieten, (so lang wie sie das indirekte Ziel nicht haben, die effektive Benutzung des Internets aufseiten des Käufers vorzubeugen). Der Antreiber kann auch benötigen, dass der Vertreiber nicht nur ein Ladengeschäft, sondern auch einen Online-Verkaufsweg geöffnet erhaltet, oder sogar, dass eine Mindestmenge von Verkäufen in den Ladengeschäften erreicht wird. Absätze 207 und 208 der Richtlinien.
    • Die vGVO fügt auch dazu hin eine volle Liste von restriktiven Kerngeschäftspraxen (hardcore restriction practices), die die effektive Benutzung des Internets als Verkaufsweg vorbeugen. Absatz 206 der Richtlinien.
      • Zu benötigen, dass die Verkäufe ausschließlich durch Ladengeschäfte oder im Beisein von einem Spezialisten durchgeführt werden.
      • Dem Antreiber die Ausbeutung einer oder mehrerer Webseiten vorzubeugen.
      • Dem Antreiber die Benutzung der Marke des Vertreibers in seinem Online-Geschäft vorzubeugen.
      • Dem Antreiber das Blockieren oder die Umleitung des Zugangs zur Webseite des Antreibers zu verpflichten, für diejenige, die die Webseite außerhalb der EU besuchen.
      • Ein Vertrag mit einem Online-Vermittlungsdienstleister abzuschließen, der um den Verkauf der Waren oder Dienstleistungen mit den Antreibern sich bewerbt.

(E) Das Feststellen der Preise

    • Die Richtlinien legen fest, dass ein Antreiber Kriterien über die Online-/Offlineverkäufe eines selektiven Vertriebssystems feststellen kann, die nicht identisch sind, so lang wie jene Kriterien keineswegs das Ziel haben, die effektive Benutzung des Internets vorzubeugen.
    • Desgleichen wäre es akzeptabel betrachtet, den Richtlinien zufolge, wenn ein Antreiber unter bestimmten Zuständen einen Großhandelspreis feststellte, der anders als das gleiche Produkt sei, je nachdem, ob es im Internet oder im physischen Markt vertrieben wäre, was tatsächlich das Feststellen eines Doppelpreises erlauben würde. Artikel 2(1) der vGVO und Absatz 209 der Richtlinien. Solche Bedingungen sind:
      • Das Feststellen des Preises muss ein ausreichendes Investitionsniveau in jedem Verkaufsweg anreizen oder ausgleichen.
      • Der Preisunterschied muss keineswegs das direkte oder indirekte Ziel haben, die Verkäufe zu einem Land oder einem konkreten Kunden binnen der Europäischen Union zu beschränken.
      • Das Feststellen des Preises muss keineswegs vorbeugen, dass die Antreiber oder Kunden das Internet benutzen, um ihre Waren oder Onlinedienstleistungen zu verkaufen (die effektive Benutzung des Internets).

(F) Paritätsverpflichtungen oder Meistbegünstigung („Most Favoured Nation – MFN“).

Im Rahmen der Vertriebsverträge versichert eine Paritätsverpflichtung (sonst genannt eine „Meistbegünstigungsklausel“), dass der Antreiber allen seinen Vertreibern die gleichwertige Verkaufszustände angeboten werden.

Zwar kann man zwischen zwei Arten von Paritätsverpflichtungen entscheiden:

(i) Weite Parität („weite Meistbegünstigung“) – benötigt, dass der Antreiber die gleichwertigen oder besseren Zustände einem Antreiber anbietet, als diejenige, die in irgendeiner Plattform im Internet von einem Wettbewerber angeboten werden. Diese Klauseln haben nicht den Nutzen der Freistellung, außer dem Großhandel.

(ii) Enge Parität („enge Meistbegünstigung“) – benötigt, dass der Antreiber die gleichwertigen oder besseren Zustände einem Antreiber anbietet, als diejenige, die in einem spezifischen Verkaufsweg angeboten werden (zum Beispiel, seine eigene Webseite). Diese Klauseln haben ja den Nutzen der Freistellung, sowohl für den Kleinhandel, als auch den Großhandel.

(G) Nachhaltigkeit

Die Nachhaltigkeit wird von der vGVO als relevantes Kriterium in Bezug auf die Freistellung des Artikels 101(3) des AEUVs betrachtet. Deswegen kann ein vertikaler Vertrag, der nicht unter der vGVO freigestellt ist, wegen seiner Nachhaltigkeitsvorteile (beziehungsweise des Umweltschutzes oder der Begrenzung der Naturnutzung) Anspruch auf eine Freistellung unter der besagten Bestimmung haben.

III. Fazit: 

Die neue Verordnung mit einer geplanten Rechtsgültigkeit von zwölf Jahren wird die Klauseln vieler vertikalen Verträge zwischen Antreibern und Vertreibern gestalten. Diese Kategorie schließt das Folgendes ein: den (selektiven und ausschließlichen) Vertrieb; das Franchising; die Konzessionierung; den Wiederverkauf; die Vermarktung; die Kommerzialisierung; die Provision; die Handelsagentur; unter anderen Beispielen.

Die vGVO hat auch einige relevante Veränderungen eingeführt, die ein Antreiber im Sinn behalten werden muss, was seine Vertriebsverträge anbelangt. Während der vGVO die Gelegenheiten bietet, das Vertriebsnetz zu reformieren, mit der Absicht, seine Effizienz und Rentabilität zu verbessern, wird sie auch ein neues Risiko von gesetzlicher Nichtkonformität darstellen, über das man den Überblick nicht verlieren muss.

Ab dem 1. Juli 2022 werden die Vertriebsverträge, die es vorhaben, mit der neuen Verordnung der vGVO übereinzustimmen, sich an die in der Verordnung 2022/720 festgelegten Regeln anpassen.

Was die Vertriebsverträge und Geschäftspraxen angeht, die schon ab dem 1. Juni 2022 rechtsgültig sind, hat die vGVO Anstalten für eine Übergangsfrist eines Jahrs (bis dem 31. Mai 2023) getroffen, damit gesagte Verträge sich daran anpassen können.

 

 

Eduardo Vilá

Vilá Abogados

 

Für mehrere Informationen, kontaktieren Sie bitte:

va@vila.es

 

26. August 2022