Der Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden „EuGH“) hat soeben ein Urteil gefällt, in dem er die Art und Weise des Schadensersatzes für den unerlaubten Anbau einer geschützten Pflanzensorte neu definiert (Urteil vom 16. März 2023, Rechtssache C-522/21).
In der Rechtssache vor dem Gerichtshof ging es um eine Schadensersatzklage der STV, einer Vereinigung von Inhabern geschützter Pflanzensorten, gegen einen Landwirt, dem vorgeworfen wurde, eine nach der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 geschützte Sorte von Wintergerste, KWS Meridian, ohne Genehmigung angebaut zu haben.
Bei der Festsetzung der Entschädigung prüfte das mit dem Fall befasste deutsche Gericht die Gültigkeit von Artikel 18 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 (zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 2100/94), wonach ein Landwirt, der es wiederholt und vorsätzlich unterlassen hat, dem Inhaber der geschützten Sorte eine angemessene Vergütung zu zahlen, zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet sein kann, die mindestens „einem Pauschalbetrag entspricht, der auf der Grundlage des Vierfachen des für die genehmigte Erzeugung durchschnittlich erhobenen Betrags berechnet wird“. In Anbetracht dieser Situation hat das Gericht dem EuGH eine Frage zur Vorabentscheidung über die Gültigkeit dieses Artikels vorgelegt.
Nach Ansicht des EuGH verstößt die Festsetzung eines Pauschalbetrags als Entschädigung gegen Artikel 94 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94, wonach derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig eine Rechtsverletzung begeht, dem Sortenschutzinhaber zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet ist und der Entschädigungsanspruch im Falle leichter Fahrlässigkeit entsprechend gekürzt werden kann. Mit Artikel 94 Absatz 2 soll der Sortenschutzinhaber für den vom Verletzer unrechtmäßig erlangten Vorteil finanziell entschädigt werden, der sich in der Höhe der von ihm nicht gezahlten Lizenzgebühr für die Nutzung der geschützten Sorte beziffern lässt (im Folgenden „angemessene Entschädigung“). Der in Artikel 94 Absatz 2 vorgesehene Anspruch auf Entschädigung beruht daher auf einer objektiven Grundlage, wie dem tatsächlich entstandenen Schaden, so dass dieser Artikel nicht dazu verwendet werden kann, einen pauschalen Aufschlag für die Verletzung zu erheben, der nicht diesem tatsächlichen Schaden entspricht. Mit anderen Worten: Artikel 94 Absatz 2 sieht keinen Ersatz für andere Schäden als die Nichtzahlung der Lizenzgebühr vor.
Darüber hinaus liegt für den EuGH die Beweislast für den Nachweis, dass der erlittene Schaden größer ist als der durch die angemessene Entschädigung abgedeckte, beim Sorteninhaber. Die Höhe der Lizenzgebühr an sich kann nicht die Grundlage für eine höhere Entschädigung sein, da sie nicht notwendigerweise mit dem entstandenen Schaden in Zusammenhang steht.
Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass es Sache des Richters ist, zu bestimmen, wie der vom Rechtsinhaber behauptete Schaden nachzuweisen ist und ob zusätzlich zu der angemessenen Entschädigung ein Pauschalbetrag festgesetzt werden sollte, um den entstandenen Schaden vollständig zu ersetzen. Andernfalls wäre der Rechtsinhaber nicht verpflichtet, den erlittenen Schaden nachzuweisen, sondern nur das Vorliegen einer wiederholten und vorsätzlichen Verletzung seiner Rechte, was zu einer Überkompensation führen könnte.
Mit anderen Worten: Die Festsetzung eines Pauschalbetrags als Entschädigung würde eine Vermutung iuris et de iure für das Vorliegen eines Schadens darstellen, der größer ist als derjenige, der sich aus der Nichtzahlung der Lizenzgebühr ergibt, und die Befugnis des Gerichts einschränken, die Entschädigung entsprechend dem tatsächlich vom Rechtsinhaber erlittenen Schaden festzusetzen, da das Gericht den in Artikel 18.2 festgesetzten Mindestbetrag nur erhöhen, aber niemals verringern kann, selbst wenn feststeht, dass der entstandene Schaden geringer ist als derjenige, der sich aus der Anwendung dieses Artikels ergibt.
Aus all diesen Gründen erklärt der EuGH Artikel 18 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 für null und nichtig.
Joan Lluís Rubio
Vilá Abogados
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31. März 2023