Artikel 160 des spanischen Kapitalgesellschaftengesetzes (im folgenden, „LSC“) enthält in seinem derzeitigen Wortlaut bestimmte Befugnisse der Gesellschafterversammlung unter welchen die Befugnis von Absatz f) enthalten ist, dessen Wortlaut wie folgt lautet:
„Der Erwerb, Verkauf oder die Einbringung von wesentlichen Vermögensgegenständen einer Gesellschaft an eine andere Gesellschaft. Vermögensgegenstände werden als wesentliches Vermögen betrachtet, wenn der Gesamtbetrag der Operation fünfundzwanzig Prozent des Wertes des Vermögensgegenstands in der letzten genehmigten Bilanz der Gesellschaft überschreitet“.
Das Hauptproblem ergibt sich in der praktischen Anwendung dieser Vorschrift, insbesondere, wenn die Transaktion vor einem Notar erfolgt, da das spanische Gesetz des Notaramtes bestimmt, dass der Notar die materielle und formelle Rechtsmäßigkeit der Transaktionen, an denen er teilnimmt, gewährleisten muss.
Somit stellt sich die Frage, ob ein Notar bei einer Transaktion von Vermögen das angemessene Urteilsvermögen besitzt, um zu entscheiden, ob es sich hierbei um wesentliches oder nicht wesentliches Vermögen der übertragenden Gesellschaft handelt.
Diesbezüglich äußerte sich die spanische Generaldirektion für Notar- und Registerwesen (Dirección General del Registro y del Notariado (im folgenden „DGRN“)), mit Beschluss vom 8. Juli 2015, bezüglich des Umfangs der Verpflichtung des Notars:
- Der grundlegende Zweck des Artikels 160 Absatz f) ist, zu verhindern, dass bestimmte Transaktionen ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung erfolgen, da diese in deren Zuständigkeitsbereich fallen. Dazu gehören Operationen, die zu einer indirekten Durchführung des Gesellschaftszwecks, der Auflösung oder Liquidierung der Gesellschaft oder zur Änderung des Gesellschaftszwecks führen.
- Für den Notar ist es sehr schwer abzuwägen, ob beim Verkauf eines gewissen Vermögensgegenstandes einer Gesellschaft, dieser als wesentliches Vermögen betrachtet werden muss. Jedoch ist der Notar gewissermaßen dazu verpflichtet, den tatsächlichen Willen der Interessensparteien zu erschließen. Die öffentliche Urkunde muss daher die „notwendigen Elemente und Umstände wiedergeben, die zur Beurteilung der Rechtsmäßigkeit des Geschäftes beitragen, sowie zu ermöglichen, dass der Dritte der mit der Gesellschaft einen Vertrag schließt, im guten Glauben handelt“ (Artikel 24 des Gesetzes über das Notaramt). Daraus folgt, dass der Notar als Sicherheitsmaßnahme eine Bescheinigung vom Führungsorgan der Gesellschaft oder eines Vertreters fordern kann, welche besagt, dass der zu übertragende Vermögensgegenstand nicht als wesentlich bezeichnet werden kann.
- Unbeachtet dessen, kann weder die Bescheinigung der Entscheidung der Gesellschafterversammlung noch die Erklärung des Vertreter des Führungsorgans als Voraussetzung zur Erteilung der Urkunde und deren Eintrag im Handelsregister verstanden werden. Jedoch weist die DGRN darauf hin, dass sich die Position der Gegenpartei bezüglich der Sorgfaltspflicht und der Einschätzung von grober Fahrlässigkeit grundsätzlich verbessert, wenn in der notariellen Urkunde festgelegt ist, dass es sich nicht um wesentliches Vermögen handelt.
Nun ergibt sich die Frage, ob das Handelsregister befugt ist, die notarielle Entscheidung zu korrigieren, wenn es im Gegensatz zum Notar der Ansicht ist, dass es sich um wesentliches Vermögen handelt. In diesem Sinne legt der spanische Oberste Gerichtshof in seinem Urteil vom 24. Oktober 2000 fest, dass sowohl Notare wie auch das Handelsregister verpflichtet sind, die Rechtsmäßigkeit, der in den Urkunden durchgeführten Rechtsgeschäfte zu kontrollieren, um die Eintragung von rechtswidrigen Geschäften zu vermeiden. Die erwähnte Verordnung der DGRN vom 8. Juli 2015, bestimmt diesbezüglich, dass das Handelsregister eine zweite Kontrolle der Rechtsmäßigkeit der Transaktion durchführt, und daher ermächtigt ist, die Eintragung der Urkunde im Handelsregister in den folgenden Fällen und Umständen zu verweigern:
- Wenn es offensichtlich ist, dass der zu übertragende Vermögensgegenstand ein wesentliches Vermögen der Gesellschaft ist und dies seitens des Handelsregisters mit den zur Verfügung stehenden Mitteln überprüft werden kann.
Diese zweite Kontrolle der Rechtsmäßigkeit des Titels, die dem Handelsregister zugeordnet ist, hat unseres Erachtens mehr eine theoretische als eine praktische Auswirkung. Was „offensichtlich“ (sozusagen, deutlich oder klar zu erkennen) für das Handelsregister ist, müsste vorher gleichfalls offensichtlich für den Notar gewesen sein, da das Handelsregister vermutlich weniger Zugang zu Informationen über die Transaktionen und den Parteien als der Notar hat, um die Wesentlichkeit des zu übertragenden Vermögensgegenstandes zu bestätigen.
So ist zu entnehmen , dass der Notar die Rechtsmäßigkeit der Transaktion überprüfen muss, indem er die Umstände des Falles, wie z.B. die Absicht der Parteien oder die Besonderheiten der Transaktion in Betracht zieht. Dadurch muss die Übertragung eines Vermögensgegenstandes oder einer Gruppe von Vermögenswerten, die mutmaßlich als Wesentlich für die Produktivität oder den Betrieb des Unternehmens verstanden werden könnten, ein ausreichender Hinweis sein, um von dem Vertreter der übertragenden Gesellschaft entweder eine Bescheinigung, in der gewährleistet wird, dass es sich nicht um einen wesentlichen Vermögensgegenstand der Gesellschaft handelt, oder eine Übertragungserlaubnis der Gesellschafterversammlung, zu fordern. Jedoch verstehen wir, dass vom Notar keine Pflichten, welche die erwähnten Grenzen übertreten, gefordert werden können. Sollte letztendlich keine Bescheinigung des Vertreters des Geschäftsführungsorgans erteilt werden, oder die Erlaubnis der Gesellschafterversammlung nicht vorliegen, dann dürfte der Notar die Erteilung der Urkunde nicht verhindern (und das Handelsregister die Eintragung im Register nicht verweigern, außer in den genannten Fällen). Der Grund hierfür ist, dass die im guten Glauben und ohne grob Fahrlässigkeit handelnde „in bonis“ Partei, die den Vermögensgegenstand erwirbt, geschützt ist und ihre Rechte nicht beschränkt werden. Da Artikel 234.2 der LSC bestimmt, dass die Gesellschaft durch die Transaktion verbunden ist und dies auch ungeachtet jeglichen Verfahrens, welches gegen den Vertreter des Führungsorgans der Gesellschaft, der bei der Übertragung des wesentlichen Vermögensgegenstandes beteiligt war und außerhalb seiner Kompetenzen der übertragenen Befugnisse agierte, eingeleitet werden kann.
Drittens ist zu erwähnen, dass Artikel 160.f) der LSC eine Rechtsvermutung der Wesentlichkeit des Vermögengegenstandes enthält, für den Fall, dass der Gesamtbetrag der Transaktion 25% des Wertes, der letzten genehmigten Bilanz der Aktiva der Gesellschaft, überschreitet. Der Wortlaut des Artikels bringt Zweifel bezüglich seiner Auslegung, da ein Vermögensgegenstand, dessen Wert 25% der Aktiva der Gesellschaft überschreitet, nicht immer wirklich wesentlich für die Gesellschaft ist. Außerdem könnte es Fälle geben, in welchen der in der letzten Bilanz verbuchte Wert des Vermögensgegenstandes nicht mit dem aktuellen Wert der Transaktion übereinstimmt. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine widerlegbare Vermutung handelt („iuris tantum“) und der gegenteilige Beweis eingereicht werden kann. In dieser Hinsicht müsste die dem Notar vorgelegte Bescheinigung des Vertreters des Führungsorgans der Gesellschaft ausreichen. Hingegen stellt sich die Frage, was passieren würde, wenn der Notar, selbst mit einer Bescheinigung des Vertreters der Gesellschaft, anders denkt und den Vermögensgegenstand als wesentlich einstuft. Unserer Meinung nach müsste in einem solchen Fall die Bescheinigung des Vertreters des Führungsorganes ausreichend sein, um die öffentliche Urkunde zu erteilen.
Letztendlich, um den quantitativen Grenzwert der Vermutung zu bestimmen, verweist Absatz f) auf den „Wert der Operation“ im Zusammenhang mit dem „verbuchten Wert des Vermögengegenstandes“ der letzten Bilanz. Dies führt zu der Frage, warum der Gesetzgeber den Begriff „Operation“ anstatt einen etwas identifizierbareren, wie z.B. „der Wert des Vermögensgegenstandes der seitens der Parteien bestimmt wird“, benutzt. Aus unserer Sicht ist dieser Begriff verwirrend, da es sich bei einer „Operation“ um ein Gesamtpacket von mehreren Rechtsgeschäften, welches –aber nicht exklusiv- die Übertragung des wesentlichen Vermögensgegenstandes beinhalten kann und daher der Gesamtwert der „Operation“ höher sein könnte als der Einzelpreis des konkreten Vermögensgegenstandes. Der direkte Vergleich zwischen dem „Wert des Vermögensgegenstandes“ und dem „Gesamtbetrag der Operation“ führt dazu, dass genau festgelegt werden muss, welcher Teil des Gesamtpreises der Operation dem konkreten Vermögensgegenstand zugewiesen wird und, ob der zugewiesene Betrag nachprüfbar ist. Der Vermögensgegenstand könnte um einen geringeren Preis als sein Buchungspreis übertragen werden als Ausgleich anderer Vermögensgegenstände oder Rechte, die für einen höheren Preis im Rahmen der Operation zu übertragen sind. Daher scheint die Schlussfolgerung angemessen, dass der zugeordnete Bilanzpreis des Vermögensgegenstandes heranzuziehen ist und nicht der Begriff „Preis der Operation“, da der Wert, den die Parteien in der Operation bestimmen willkürlich oder beeinflusst durch die gesamte Operation sein kann, in welcher der konkrete Vermögensgegenstand übertragen wird, während der Bilanzwert eine konkrete Angabe und einfach zu identifizieren ist.
Eduardo Vilá
Vilá Abogados
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20. November 2015