Im Falle eines Antrags um eine Reduktion der Miete um 50 % seitens des Mieters in einem gewerblichen Mietvertrag (26 Wohnungen als Touristenunterkünfte und ein Lokal) mit einem Vermieter, der sehr viele Wohnungen besitzt, hat das Gericht der ersten Instanz Nr. 20 in Barcelona am 8. Januar ein Urteil zugunsten des Mieters gesprochen, basierend auf der Clausula rebus sic stantibus (CRSS), und hat die Prozesskosten dem Vermieter auferlegt.

In der Urteilsbegründung analysiert der Richter drei grundlegende Fragen:

Erstens, das Konzept und die Anforderungen dieser Klausel;

zweitens, ob der Gesetzgeber im königlichen Gesetzesdekret 15/2020 vorgesehen hat, die Rechtsdoktrin der CRSS auf die Folgen aus einem gewerblichen Mietvertrag anzuwenden, der durch die Pandemie betroffen ist; und

drittens, ob die CRSS in diesem Fall angewendet werden kann und auf welche Weise.

In Bezug auf den ersten Punkt wird festgestellt, dass es sich bei der CRSS um eine Klausel der Rechtsprechung handelt, die das Prinzip „pacta sunt servanda“ (Verträge müssen grundsätzlich erfüllt werden) abschwächt, da sie es möglich macht, Verträge zu ändern oder aufzulösen, wenn bestimmte außergewöhnliche Umstände auftreten, die man in dem Augenblick, als die Vertragsbedingungen festgelegt wurden, nicht voraussehen konnte, und die zu einer grundlegenden Veränderung der Geschäftsgrundlage führen, auf deren Grundlage der Vertrag abgeschlossen wurde. Sie beruht auf dem Prinzip von Treu und Glauben, das in den Artikeln 7.1 und 1258 des Bürgerlichen Gesetzbuches enthalten ist. Sie ist im vergleichenden Recht berücksichtigt (deutsches, italienisches und angelsächsisches Recht) und auch im Artikel 6.2.2 der UNIDROIT-Grundregeln und im Artikel 6.111 der Grundsätze des Europäischen Vertragsrechts. Diese Grundsätze können als Auslegungskriterien für unsere Rechtsordnung herangezogen werden, laut wiederholter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

Die Voraussetzungen sind laut der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (Urteile vom 30. Juni 2014, 9. Januar 2019, 18. Juli 2019 und 20. März 2020) Folgende: (i) eine außergewöhnliche und unvorhersehbare Änderung der Elemente, die beim Vertragsabschluss berücksichtigt wurden, so dass die neue Situation die Geschäftsgrundlage geändert hat; (ii) diese Veränderung führt zu einer Undurchführbarkeit des Vertragszwecks oder zu einer schweren und übermäßigen kostspieligen Belastung für eine der Parteien, die den Kriterien von Treu und Glauben und der Fairness zuwiderlaufen. (iii) die Parteien haben über die Änderung des Vertrags zu verhandeln versucht und haben keine Einigung erzielt; (iv) die Lösung, die gesucht wird, ist es, entweder den Vertrag zu beenden, oder ihn auf eine Weise zu ändern, dass die Verluste und Gewinne, die sich aus dieser Änderung ergeben, auf gleiche und gerechte Weise zwischen den beiden Parteien aufgeteilt werden.

Mit Bezug auf die zweite Frage geht das Gericht davon aus, dass das Königliche Dekret 15/20 eine Rechtsfolge (Moratorium) für das Problem, das uns beschäftigt, festlegt, aber das ist nicht die einzige, mögliche Folge. Der Kläger kann sich auf die CRSS berufen, um zu versuchen, andere Maßnahmen zu ergreifen, um ein vertragliches Gleichgewicht herzustellen, falls er davon ausgeht, dass das Moratorium im Falle dieses konkreten Vertrags nicht zu dem vertraglichen Gleichgewicht führt und auch die Geschäftsgrundlage nicht wieder herstellt. All dies folgt den Prinzipien von Treu und Glauben und der Fairness, die die Grundlage von Vertragsbeziehungen bilden sollten, und dabei wird davon ausgegangen, dass die CRSS nicht nur eine Schöpfung der Rechtsprechung ist, sondern auch die konkrete Umsetzung eines allgemeinen Rechtsprinzips in Bezug auf Verpflichtungen und Verträge darstellt, ebenso wie eine Rechtsquelle (Artikel 1.4 des Bürgerlichen Gesetzbuches) und deshalb einen hinweisenden Charakter für die gesamte Rechtsordnung hat. Diese Schlussfolgerung basiert das Gericht auf drei Punkten: (i) Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und die Gesetzgebung, die diese reguliert, setzen nicht eine einzige Konsequenz aus dieser außerordentlichen Änderung der Umstände fest; (ii) das Ziel des Königlichen Dekrets 15/2020 ist es nicht, das vertragliche Gleichgewicht wiederherzustellen; (iii) es existieren andere Normen, die die Anwendung des CRSS zulassen, beispielsweise das Gesetz 498 der Zusammenstellung von Zivilrecht von Navarra (Compilación Navarra) oder das Königliche Gesetzesdekret 34/2020 vom 20. Oktober, das von Landesregierung von Katalonien (Generalitat de Catalunya) erlassen wurde.

Und in Bezug auf die dritte Frage ist das Gericht der Ansicht, dass in dem Fall die vier Anforderungen zusammentreffen, die durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs festgesetzt wurden. Ebenso wird das Auftreten der zweiten Voraussetzung als nachgewiesen betrachtet (Veränderung der Geschäftsgrundlage durch das Auftreten eines schweren und übermäßig kostspieligen Schadens für den Mieter). Nach Analyse der Einkünfte, die der Mieter im Geschäftsjahr 2019 erzielt hat und dem Vergleich dieser mit den im Geschäftsjahr 2020 erzielten Einkünften wurde ein Nettogewinn für das Geschäftsjahr 2019 ermittelt. Jedoch von Januar bis September 2020 wurden Verluste gemacht, die höher waren als der Gewinn im Jahr 2019. Die Fakturierung ging von September 2019 bis September 2020 um 70 % zurück, die Aufwandsquote (das Verhältnis zwischen den jährlichem Mietkosten und dem Jahresumsatz) hat sich um 144,04 % im Jahr 2020 im Vergleich zu der im Jahr 2019 erhöht. Während sich für den Mieter die Vertragsgrundlage verändert hat, da sich die Gewinne, die er rational betrachtet zu erwirtschaften hoffte, sehr stark vermindert haben, gab es für den Vermieter in Bezug auf die Gewinne, die er mit den vermieteten Immobilien zu erzielen suchte, keine Beeinträchtigungen, da er sie ja bereits vermietet hatte. Was die vierte Voraussetzung betrifft (Änderung des Vertrages auf eine Weise, so dass die Gewinne und Verluste, die sich aus ihm ableiten, gleichmäßig und gerecht zwischen den Parteien verteilt werden), so ist der Richter der Ansicht, dass der Antrag, den die klagende Partei stellt, gerecht und gleichmäßig verteilt ist, denn mit einer Rückzahlung von 50 % der Miete übernimmt sie Verluste von mehr als diesen 50 %. Als Antwort auf das Argument des Vermieters, dass der Mieter die Möglichkeit hatte, angesichts der Verluste den Vertrag zu kündigen, weist der Richter darauf hin, dass es sich um einen gewerblichen Mietvertrag handelt, und dass noch mehr Kosten entstehen, die über diesen Mietvertrag hinausgehen, und die weiter gezahlt werden müssen, auch wenn der Vertrag beendet wird (Gehälter der Angestellten, Sozialversicherungsbeiträge, Versicherung, Anfangsinvestitionen). Deshalb ist es verständlich, dass der Mieter sich dazu entschlossen hat, den Vertrag aufrecht zu erhalten, falls er in irgendeinem Monat Gewinne erzielen könnte, und dass diese Entscheidung ebenso wie bei der Aufrechterhaltung von anderen, verbundenen Verträgen Vorrang hat.

Dieses Urteil ist nicht rechtskräftig und wir wissen nicht, welches definitive Kriterium am Ende für den Anwendung der CRSS für die Mieter von Geschäftsräumen angewendet werden wird, die von den Einschränkungen und gesetzlichen Auflagen infolge der Pandemie betroffen waren.

In diesem Fall erscheinen uns verschiedene Aspekte wichtig: (i) die Schnelligkeit, mit der das Verfahren abgewickelt wurde (es wurde in sieben Monaten nach Einreichen der Klage im Juni 2020 ein Urteil gefällt, ); (ii) die rückwirkende Anwendung der Maßnahme der Minderung des Mietpreises (ab 1. April 2020 bis zum Vertragsende); (iii) die Ausführlichkeit und die Begründung der Argumente zugunsten der Anwendung der CRSS zugunsten des Mieters, sowohl basierend auf ihrem Charakter (als hinweisendes Prinzip der Rechtsordnung) als auch basierend auf ihrem Zweck (das Vertragsgleichgewicht auf Grundlage der Prinzipien der Gerechtigkeit und Fairness, die im Vertragsrecht vorherrschen müssen, wieder herstellen); (iv) die Begründung der Kompatibilität des Königlichen Gesetzesdekrets 15/2020 mit dem Antrag auf Mietminderung durch die Anwendung der Clausula rebus; (v) die Aufrechterhaltung des Prinzips der Erhaltung des Geschäftes.

 

 

Mireia Bosch

Vilá Abogados

 

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22. Januar 2021