Ein kürzlich ergangenes Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union lässt die Möglichkeit zu, dass nationale Rechtsvorschriften die Installation eines Videoüberwachungssystems in den Gemeinschaftsbereichen eines Gebäudes auch ohne die Einwilligung einer betroffenen Person auf der Grundlage eines berechtigten Interesses entsprechend den Anforderungen der inzwischen aufgehobenen Richtlinie 95/46/EG zulassen.
Nach Artikel 7 Buchstabe f der genannten Richtlinie ist das berechtigte Interesse durch eine Abwägung der Interessen oder der Grundrechte und -freiheiten der betroffenen Person gegen das berechtigte Interesse des für die Verarbeitung Verantwortlichen zu beurteilen. In diesem Fall war der Verantwortliche die Eigentümergemeinschaft als ein von allen Eigentümern der Immobilie gebildetes Organ.
Der vom EuGH beschlossene Fall hatte seinen Ursprung in Rumänien, wo eine Eigentümergemeinschaft in einer Hauptversammlung die Installation eines Videoüberwachungssystems im Gebäude genehmigte, der sich einer der Eigentümer mit der Begründung entgegen setzte, dass es sein Recht auf Privatsphäre verletze. Folglich hatte dieser Eigentümer nicht seine Einwilligung zur Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten in Form von Videoüberwachungsaufnahmen der Gemeinschaftsräume des Gebäudes, in dem er wohnte, gegeben.
Die nationale Regelung sah vor, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten nur mit ausdrücklicher und eindeutiger Einwilligung der betroffenen Person erfolgen durfte. Eine der Ausnahmen von der allgemeinen Regel erlaubte jedoch die Verarbeitung zum Schutz des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit der betroffenen Person oder einer anderen bedrohten Person.
So nimmt der EuGH eine Bewertung der Interessen beider Konfliktparteien vor, wobei dieser teilweise die Schwere der Verletzung der Rechte der betroffenen Person, die sich der Verarbeitung widersetzt hat, bewertet und dabei zwischen der Speicherung ihrer personenbezogenen Daten in öffentlich zugänglichen und in nicht öffentlich zugänglichen Informationsquellen unterscheidet.
Diese Bewertung stellt die Interessen der betroffenen Person, die in nicht öffentlich zugänglichen Quellen gespeichert werden, der Wichtigkeit des legitimen Interesses aller Miteigentümer gegenüber, das der Entscheidung über die Einrichtung der Videoüberwachung zugrunde liegt, d. h. die Sicherheit und Ruhe der Bewohner des Gebäudes zu gewährleisten (Schutz von Eigentum, Gesundheit und Leben).
Schließlich stellt der EuGH fest, dass die rumänischen nationalen Regelungen, die sich auf das berechtigte Interesse beziehen, nicht in Widerspruch zu den damals geltenden Datenschutzbestimmungen (Richtlinie 95/46/EG) standen, die heutzutage in den Vorschriften der DSGVO übertragen und aktualisiert sind, wobei es dem Instanzgericht überlassen bleibt, zu beurteilen, ob die Befriedigung des von der Eigentümergemeinschaft verfolgten berechtigten Interesses (Gewährleistung der Sicherheit und des Schutzes von Personen und Eigentum) den Interessen des betroffenen Eigentümers insbesondere vorgehen soll.
Derzeit ist die Abwägung zwischen den berechtigten Interessen der Parteien für die Verarbeitung personenbezogener Daten ohne Einwilligung der betroffenen Person in Art. 6.1.f) DSGVO geregelt. Ebenso müssen, um zu dieser Beurteilung zu gelangen, die in Art. 5 der DSGVO festgelegten Grundsätze über die Angemessenheit, Erheblichkeit und Beschränkung der Daten auf das für die verfolgten Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß zuvor eingehalten worden sein.
Andreas Terán
Vilá Abogados
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17. Januar 2020