Der Riigikohus (Oberster Gerichtshof Estlands) hat im EuGH (Europäischer Gerichtshof) das Ersuchen um Vorabentscheidung gestellt, bevor der estnische Oberste Gerichtshof über die Rechtsmittel entscheidet. Im Rahmen eines beim Riigikohus eingelegten Rechtsmittels stellt sich die Frage, ob die estnischen Gerichte nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 für die Entscheidung des Falls zuständig sind.

Der vorliegende Fall behandelt ein estnisches Unternehmen, Bolagsupplysningen OÜ, das hauptsächlich in Schweden gewerbstätig ist. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wurde diese Gesellschaft auf die schwarze Liste der Website Svenks Handek AB (des schwedischen Handelsverbands) gesetzt. In mehr als 1.000 Äußerungen wurde darauf reagiert, was negative Konsequenzen für das estnische Unternehmen nach sich zog.

Aufgrund dieses Schadens reichte Bolagsupplysningen OÜ eine Klage vor den estnischen Gerichten gegen den schwedischen Handelsverband ein. Durch diese Klage forderte die estnische Gesellschaft folgendes:

  1. Die Aufhebung der veröffentlichen Informationen und Äußerungen auf der Website des schwedischen Handelsverbands
  2. Einen Schadenersatz im Betrag von EUR 56.634,99.

Das Ersuchen um Vorabentscheidung wurde seitens des Riigikohus beantragt, damit der EuGH bezüglich der Anwendung des Artikels 7.2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 für den Fall, dass der Inhaber, dessen Rechte geschädigt worden sind, eine juristische Person ist, entscheiden konnte. Zudem wurde seitens des estnischen Obersten Gerichthofs beantragt, den Begriff „Mittelpunkt der Interessen“ zu definieren.

Bezüglich des ersten Punkts, Artikel 7.2 der genannten Verordnung, wurde folgendes festgelegt:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden (…) 2. Wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden“.

Auf diese Weise, kann der Kläger sich entweder auf die allgemeine Regel für die internationale gerichtliche Zuständigkeit nach dem Unionsrecht berufen, nämlich den Beklagten an seinem Wohnsitz zu verklagen, oder dem Beklagten in dem Mitgliedstaat, in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, oder einzutreten droht, zu verklagen. Dies ist schon seitens des EuGH als „Mittelpunkt der Interessen“ festgelegt.

Bislang wurde die Anwendung dieser Artikel nur für natürliche Personen und nicht für juristische Personen verwendet und aus diesem Grund hat Riigikohus das Gesuch um Vorabentscheidung erhoben. Nach Ansicht des Generalanwalts Herrn Bobek kann eine juristische Person, die sich gegen eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Äußerungen im Internet wendet, vor einem Gericht des Mitgliedstaats klagen, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befindet. Deswegen ist der Generalanwalt der Meinung, dass die Anwendung verschiedener Kriterien nicht gerechtfertigt ist.

Darüber hinaus meinte der Generalanwalt, dass der Ort des Schadenseintritts wahrscheinlich mit dem Ort, an dem das Ansehen der betreffenden Person am stärksten beeinträchtigt worden ist, zusammenfällt, da sich dort der Mittelpunkt der Interessen dieser (natürlichen oder juristischen) Person befindet. Um das zu bestimmen, meint Herr Bobek, sind folgende Faktoren zu beachten: Der Sitz, in dem sich die hauptsächliche gewerbliche Tätigkeit befindet und Umsatz und Zahl der Kunden und beruflichen Kontakte der Firma. Eine juristische Person könnte aber auch mehrere Mittelpunkte der Interessen haben und deshalb liege es bei Kläger, an welchem dieser Orte er Klage erhebe.

Der EuGH muss in den kommenden Tagen über das Gesuch um Vorabentscheidung entscheiden. Trotzdem hat es den Anschein, dass der EuGH die Meinung des Generalanwalts teilen wird. Voraussichtlich werden die Regeln für natürliche Personen in einem solchen Rahmen mit den Regeln für juristische Personen gleichgesetzt.

 

 

Pedro Blanco Guardado

Vilá Abogados

 

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21. Juli 2017