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Das Recht auf Information der Aktionäre oder Gesellschafter einer Gesellschaft ist als autonomes Recht verankert, auch wenn es für das Stimmrecht von Bedeutung sein könnte. Diesen Standpunkt vertrat der Oberste Gerichtshof bereits vor der Reform des spanischen Gesellschaftsgesetzes von 2014 (La Ley de Sociedades de CapitalLSC), bis zu einem aktuellen Urteil vom 29. Mai 2024.

Die Artikel 196 und 197 des LSC regeln in allgemeiner Form das Recht auf Information sowohl für Gesellschaften mit beschränkter Haftung als auch für Aktiengesellschaften, allerdings im Rahmen einer bevorstehenden Gesellschafter- oder Aktionärsversammlung, da diese Artikel in den zweiten Abschnitt des Kapitels VII mit dem Titel „Einberufung der Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung“ eingebettet sind. Bei systematischer Auslegung regeln die Bestimmungen der genannten Artikel das Recht im Rahmen der Hauptversammlung der Aktionäre oder Mitglieder und nicht außerhalb.

Artikel 204.3.b) der LSC legt fest, dass Beschlüsse von Aktionären oder Gesellschaftern nicht wegen einer Verletzung des Rechts auf Information angefochten werden können, wenn die Information für die angemessene Ausübung des Stimmrechts oder eines der anderen Mitwirkungsrechte durch den durchschnittlichen Aktionär oder Gesellschafter nicht wesentlich ist. Dies bezieht sich auf den Mangel an Informationen bei Beschlüssen der Aktionärs- oder Gesellschafterversammlung.

Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die sich mit dem Recht der Aktionäre auf Information befasst, konzentriert sich auf Fälle, in denen die Gültigkeit einer Hauptversammlung oder bestimmter Beschlüsse mit der Begründung angefochten wird, dass das Recht der Aktionäre oder Gesellschafter auf Information in Bezug auf diese Punkte ignoriert oder nicht beachtet wurde.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob das Recht der Aktionäre auf Information auch auf andere Fälle anwendbar ist.

Erinnern wir uns an die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs zum autonomen Charakter des Informationsrechts und insbesondere an die Feststellung, dass es „… unbeschadet der Tatsache, dass es dem Wahlrecht als Instrument dienen könnte“, gilt. Die Kombination beider Aussagen lässt den Schluss zu, dass das Recht nicht nur im Rahmen einer bevorstehenden Hauptversammlung von Aktionären oder Gesellschaftern in Bezug auf die Tagesordnungspunkte, über die auf der Versammlung debattiert und abgestimmt werden soll, ausgeübt werden kann, sondern auch unter anderen Umständen.

In der Realität kollidiert ein absolutes und uneingeschränktes Recht auf Information jedoch unweigerlich mit zwei Fragen: 1) den Pflichten der Geschäftsführer im Hinblick auf die Verwaltung der Informationen der Gesellschaft; 2) der Pflicht der Geschäftsführer, die Interessen der Gesellschaft zu schützen.

In Anbetracht dieser Problematik wäre in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die Aktionäre von den Geschäftsführern jederzeit Informationen oder Daten über die Gesellschaft verlangen können. Ist dies der Fall, wäre in einem zweiten Schritt der Umfang dieses Rechts zu bestimmen.

Was die erste Frage anbelangt, so scheint es, dass das Recht auf Information nicht nach dem Gießkannenprinzip ausgeübt werden kann, sondern dass es je nach Fall differenziert und seine Ausübung beurteilt werden muss, auch wenn es verallgemeinert werden kann, indem man sagt, dass seine Ausübung auf die Fälle beschränkt werden muss, in denen das Ersuchen einem wirklich gerechtfertigten Bedarf entspricht. Ohne zu übertreiben, könnte ein Aktionär oder Gesellschafter, der regelmäßig über die Entwicklung der Gesellschaft informiert wird und an der ordentlichen Hauptversammlung zur Feststellung des Jahresabschlusses teilnimmt, nur Daten oder Informationen gemäß den Bestimmungen der Artikel 196 und 197 des LSC verlangen.  Erhält der Aktionär hingegen keine Informationen über die Entwicklung der Gesellschaft und beruft die Geschäftsführung keine Hauptversammlung ein, scheint ein solches Vorgehen legitim.  In weniger klar umrissenen Fällen als den oben genannten müssen verschiedene Faktoren und Umstände sowohl vor als auch während der Ausübung des Rechts abgewogen werden, wie z.B. der Grad des Zugangs zu Informationen, Präzedenzfälle, die Relevanz der Informationen und ihr Umfang.

Und was den Umfang des Auskunftsrechts betrifft, so ist die Auslegung des Obersten Gerichtshofs zum Auskunftsrecht in Bezug auf die Tagesordnungspunkte einer Aktionärsversammlung eindeutig und besagt, dass das Auskunftsrecht nicht absolut ist, in dem Sinne, dass das Auskunftsrecht nicht als verletzt angesehen werden kann, wenn das Verwaltungsorgan nicht die vom Aktionär oder Mitglied verlangten Informationen zur Verfügung stellt, sondern andere gleichwertige Informationen oder Informationen, die ausreichen, um an der Versammlung teilnehmen und über die Tagesordnung abstimmen zu können. Eine Verletzung liegt auch dann nicht vor, wenn die verlangten Informationen harmlos oder für diese Zwecke unnötig sind.

Das Informationsrecht des Aktionärs einer nicht börsennotierten Gesellschaft kann nicht von der in Artikel 225 des LSC festgelegten Sorgfaltspflicht des Vorstands abgekoppelt werden. Im Kern ist es die Pflicht der Direktoren, ihre Aufgaben und die ihnen durch die Satzung der Gesellschaft sowie durch das Gesetz auferlegten Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu erfüllen (Art. 225 des LSC).   Ebenso muss ihre Geschäftsführung mit der Loyalität eines treuen Vertreters erfolgen, der nach Treu und Glauben und im besten Interesse der Gesellschaft handelt (Art. 227 des LSC). Das Konzept der Loyalitätspflicht wird in Artikel 228 des LSC entwickelt, und unter den grundlegenden Verpflichtungen, die er den Geschäftsführern auferlegt (es handelt sich nicht um eine geschlossene Liste), sticht die Bewahrung der Informationen hervor, zu denen sie während der Ausübung ihrer Aufgaben Zugang hatten. Dazu gehören auch vertrauliche oder geheime Informationen.

In Anbetracht des Rechts auf Information und der Pflichten des Geschäftsführers scheint die Möglichkeit eines Konflikts zwischen dem Recht des einen und der Pflicht des anderen offensichtlich. Wie weit reicht also die Pflicht des Geschäftsführers, dem Aktionär Daten, Informationen oder Dokumente über die Gesellschaft oder ihre Geschäfte mitzuteilen, wenn dies für das Verständnis eines Beschlusses, über den abgestimmt werden soll, nicht erforderlich ist?

Betrachtet man nur die in Artikel 228 b) des LSC vorgesehene Geheimhaltungspflicht, müsste man zu dem Schluss kommen, dass die Weitergabe von Unternehmensinformationen sowohl für Dritte als auch für Aktionäre verboten ist. Wir wissen jedoch, dass diese Verpflichtung nicht absolut ist, da Artikel 197 des LSC die Verpflichtung vorsieht, die von den Aktionären verlangten Informationen zur Verfügung zu stellen, auch wenn es sich um Informationen handelt, die den Interessen der Gesellschaft schaden könnten, wenn sie von Aktionären verlangt werden, die mindestens 25 % des Aktienkapitals halten. Diese Verpflichtung gilt jedoch nur in dem besonderen Zusammenhang einer bevorstehenden Hauptversammlung, so dass diese Regel nicht auf das außerhalb dieses Zusammenhangs ausgeübte Auskunftsrecht angewendet werden sollte.

Unseres Erachtens darf das Recht des Aktionärs auf Information weder eine Einmischung in die Geschäftsführung der Gesellschaft bedeuten, noch darf es die begründete Gefahr mit sich bringen, dass Informationen offengelegt werden, die den Interessen der Gesellschaft schaden. In diesen Fällen muss der Verwaltungsrat das Auskunftsverlangen des Aktionärs (ganz oder teilweise) ablehnen, wenn er zu dem Schluss kommt, dass die Befolgung des Auskunftsverlangens die konkrete Gefahr einer Schädigung der Interessen der Gesellschaft mit sich bringen würde. In dieser Hinsicht obliegt es dem Leitungsorgan, die Umstände zu beurteilen, unter denen die Informationen angefordert werden, wer sie anfordert und welche Art von Informationen angefordert werden, wobei insbesondere die Auswirkungen auf das Unternehmen zu berücksichtigen sind, wenn die bereitgestellten Informationen an die Öffentlichkeit gelangen oder in die Hände von Wettbewerbern oder Dritten gelangen, die ein Interesse daran haben, dem Unternehmen zu schaden.

Indem die Aktionärsversammlung die exekutive Leitung der Gesellschaft an den Verwaltungsrat delegiert, überlässt sie diesem die Verwaltungsbefugnisse und den Umgang mit den dafür notwendigen Informationen, und es ist dessen Pflicht, unter Wahrung der Vertraulichkeit dieser Informationen zu handeln (228 b) LSC). Gemäß diesem Mandat können die Aktionäre nicht an die Stelle der Direktoren treten oder zu einer Schattenexekutive werden, indem sie sich auf das Recht auf Information berufen, denn es ist eine Sache, den Zustand und die Entwicklung des Unternehmens zu kennen, und eine andere, sich mit unzeitgemäßen Anfragen in die Aufgaben der Geschäftsführung einzumischen, deren Beachtung die Zeit und die Ressourcen des Unternehmens auffrisst. Die Loyalitätspflicht des Geschäftsführers bezieht sich nicht auf den Aktionär, sondern auf die Interessen der Gesellschaft. Daraus ist zu schließen, dass, da es ein autonomes Recht des Aktionärs gibt, das ihn abstrakt dazu berechtigt, außerhalb der Hauptversammlung informiert zu werden, es Sache des Leitungsorgans ist, zu beurteilen, ob es die angeforderten Informationen unter Berücksichtigung der Umstände des Falles und immer unter Berücksichtigung der Loyalitätspflicht und insbesondere der Verpflichtung zur Vertraulichkeit, die mit der Erfüllung ihrer Aufgaben einhergeht, liefern kann oder muss. Dieses Urteil ist aus Gründen der Logik, des gesunden Menschenverstandes und der Verhältnismäßigkeit notwendig, wird aber auch durch das den Geschäftsführern durch Artikel 226 des LSC eingeräumte Ermessen geschützt, das nicht nur nach außen hin, sondern auch nach innen gilt. Über dem Recht des Aktionärs steht das Gesellschaftsinteresse, d.h. das Ziel, für das die Gesellschaft existiert und für das ihre Direktoren arbeiten, ein Grundsatz, dem sich das individuelle Recht unterordnen muss, da die Befriedigung des letzteren nicht zur Verletzung eines höheren Interesses (des Gesellschaftsinteresses) führen darf, da die Existenzberechtigung der Gesellschaft von letzterem abhängt. Folglich darf die vollständige oder teilweise Verweigerung von Informationen gegenüber dem Aktionär für sich genommen weder einen Mangel an Sorgfalt seitens der Unternehmensleitung noch eine Verletzung des Rechts auf Information darstellen; um zu einer solchen Schlussfolgerung zu gelangen, müssen jedoch der Sachverhalt und die Umstände des Falles sowie die zur Rechtfertigung der Entscheidung angeführten Gründe berücksichtigt und bewertet werden.

Und schließlich erschöpft die Weigerung, die angeforderten Informationen zu erteilen, nicht die Möglichkeiten des Aktionärs, da er immer noch allein oder zusammen mit anderen Aktionären eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen kann, um Fragen von Interesse vorzubringen und sie gegebenenfalls zur Abstimmung zu stellen, wobei die erforderlichen Informationen gemäß Artikel 196 oder 197 des LSC angefordert werden. Und wenn das Handeln der Direktoren als hinderlich oder böswillig angesehen wird, können sie auch auf der Hauptversammlung ihres Amtes enthoben oder sogar wegen Verletzung ihrer gesetzlichen oder satzungsmäßigen Pflichten zur Verantwortung gezogen werden.

Eduardo Vilá

Vilá Abogados

 

Für weitere Informationen wenden Sie sich an:

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  1. August 2024