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Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union („EuGH“) vom 25. April 2024, (ECLI:EU:C:2024:348), analysiert den Rahmen der Niederlassungsfreiheit in der Europäischen Union.

1.-Kontext.

Die italienische Gesellschaft mit beschränkter Haftung AT verwaltete in Italien eine Immobilie (ein Schloss), die ihr einziger Vermögenswert war. Im Jahr 2024 änderte AT ihren Namen in STA, verlegte ihren Sitz nach Luxemburg, wo sie in eine luxemburgische Gesellschaft mit dem Namen STE umgewandelt wurde, und nutzte weiterhin ihr einziges Vermögen. Im Jahr 2010 ernannte STE auf einer Hauptversammlung S.B. zum alleinigen Verwalter und S.B. ernannte einen Generalbevollmächtigten, der das Eigentum an der Immobilie auf S.T. übertrug, die es ihrerseits auf E.W. übertrug.

2.-Rechtsstreit.

2013 erhob STE Klage gegen S.T. und E.W. und beantragte die Nichtigerklärung der beiden Übermittlungen, da sie die Zuweisung der Zuständigkeit für unrechtmäßig hielt. Das Gericht der ersten Instanz wies die Klage ab, doch das Gericht der zweiten Instanz hob das Urteil auf. Der Oberste Gerichtshof (OGH) warf die Frage auf, ob die Gründung der STE als luxemburgische Gesellschaft dazu führte, dass die Handlungen der Geschäftsführung dem luxemburgischen Recht unterworfen wurden, obwohl sie den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit in Italien behielt. Dies ist der Fall:

  1. Das italienische Recht ist auf Gesellschaften anwendbar, deren Hauptzweck in Italien liegt.
  2. Der Verwaltungsrat kann seine Befugnisse nur an seine Mitglieder und nicht an Dritte delegieren.
  3. Nach der Rechtsprechung des EuGH umfasst die Niederlassungsfreiheit das Recht einer nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründeten Gesellschaft, sich in eine Gesellschaft eines anderen Mitgliedstaates umzuwandeln, sofern die Voraussetzungen des zweiten Mitgliedstaates und der von diesem Staat festgelegte Anknüpfungspunkt erfüllt sind. Wird nur der Sitz (nicht die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung) verlegt, ist die Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit nicht ausgeschlossen.
  1. Dies gilt nicht nur für die Niederlassung, sondern auch für die Verwaltung der Gesellschaften, wobei diese dem luxemburgischen Recht unterliegen müssen.

3.-Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der Oberste Gerichtshof hat den EuGH gefragt, ob die Art. 49 und 54 AEUV es einem Mitgliedstaat, in dem eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet wurde, verwehren, seine nationalen Vorschriften über die Geschäftstätigkeit und die Geschäftsführung anzuwenden, wenn die Gesellschaft nach der Verlegung ihres Sitzes und ihrer Wiedergründung nach dem Recht des Bestimmungsstaates den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit weiterhin im Herkunftsstaat beibehält und der Akt der Geschäftsführung sich entscheidend auf die Tätigkeit der Gesellschaft auswirkt.

Der EuGH formulierte die Frage neu, indem er fragte, ob die Artikel 49 und 54 AEUV den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die als allgemeine Regel die Anwendung seines nationalen Rechts auf die Geschäftsführungsakte einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaft vorsehen, die den Hauptteil ihrer Tätigkeit im erstgenannten Staat ausübt.

4.- Untersuchte Punkte.

Erstens. Fällt der streitgegenständliche Sachverhalt in den Bereich der Niederlassungsfreiheit?

Die Frage ist zu bejahen:

(i) Artikel 49 erkennt die Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften an, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet wurden und ihren Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Europäischen Union haben;

(ii) Die Niederlassungsfreiheit umfasst die Gründung und Verwaltung nach den Bedingungen, die das Recht des Niederlassungsmitgliedstaats für seine eigenen Gesellschaften vorsieht;

(iii) Diese Gesellschaften haben das Recht, ihre Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben, wobei ihr Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung als Anknüpfungspunkte dienen;

(iv) Die Definition des Anknüpfungspunkts ist Sache jedes einzelnen Mitgliedstaats.

Zweitens. Stellt ein Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften die Anwendung seines nationalen Rechts auf die Handlungen der Geschäftsführung einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaft vorsehen, wenn diese Gesellschaft den Hauptteil ihrer Tätigkeit im erstgenannten Staat ausübt, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar? Die Frage ist zu bejahen, da die kumulative Anwendung zweier Rechtssysteme die Verwaltung einer solchen Gesellschaft erschweren könnte.

Drittens. Ob eine solche Beschränkung gerechtfertigt sein könnte. Sie könnte es sein:

  • Aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, wie z.B. dem Schutz der Interessen von Aktionären, Arbeitnehmern, Gläubigern und/oder Dritten. Allerdings sollte die Beschränkung angemessen sein, was hier nicht der Fall ist.
  • Die Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken durch Schaffung von Strukturen ohne wirtschaftliche Realität und durch die Verfolgung von Steuerhinterziehung und -betrug. Die Niederlassung in einem Mitgliedstaat mit vorteilhafteren Rechtsvorschriften stellt jedoch für sich genommen keinen Missbrauch dar, und die Ausübung des Hauptteils der Geschäftstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat kann nicht als Grundlage für eine allgemeine Betrugsvermutung dienen.

5.-Schlussfolgerung.

Der EuGH hat in seinem Urteil festgestellt, dass die Art. 49 und 54 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die als allgemeine Regel die Anwendung seines innerstaatlichen Rechts auf die Geschäftsführungsakte einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaft vorsieht, die den Hauptteil ihrer Tätigkeit im erstgenannten Staat ausübt.

 

 

Mireia Bosch

Vilá Abogados

 

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5. Juli 2024