Der Artikel 176 des spanischen Gesetzes der Kapitalgesellschaften (fortan LSC) legt fest, dass “Zwischen der Einberufung und dem vorgesehenen Sitzungstag eine Frist von, mindestens, einem Monat bei Aktiengesellschaften und fünfzehn Tage bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung liegen soll.“

Der angesprochene Artikel regelt den Vorlauf der Einberufung der Gesellschafterversammlung und legt einen zeitlichen Rahmen fest, der dadurch gerechtfertigt ist, dass die Gesellschafter die Information erhalten können, bezüglich derer sie abstimmen und mit der sie sich zunächst vertraut machen können sollen.

Die Relevanz der erwähnten Frist liegt darin, dass, im Einklang mit der Ausnahme der in Artikel 204.3 LSC vorgesehenen Ausnahme, die Nichteinhaltung dieser Frist dazu führen kann, dass in der Versammlung getroffene Beschlüsse angefochten und daraufhin nicht im Handelsregister eingetragen werden.

Arten der Einberufung

Gemäß Artikel 173 LSC kann die Gesellschafterversammlung auf verschiedene Arten einberufen werden:

    1. Durch Anzeige:
    • auf der Gesellschaftsseite veröffentlichte Anzeige (wenn eine solche eingerichtet, eingetragen und veröffentlicht wurde im Sinne des Art. 11 bis LSC)
    • oder, bei Fehlen einer wie vorgeschrieben eingetragenen und veröffentlichten Internetseite, eine im offiziellen Mitteilungsblatt des Handelsregisters (BORME) und einer größeren Tageszeitung am Gesellschaftssitz veröffentlichte Anzeige

II. Alternativ durch individuellen schriftlichen Bescheid anstelle der Anzeige, wenn die Gesellschaftssatzung dies vorsieht:

    • individueller und schriftlicher Brief, der sicherstellt, dass die Anzeige jeden Gesellschafter an seinem angegebenen Wohnsitz erreicht (zudem, für den Fall, dass Gesellschafter im Ausland leben, kann die Satzung vorsehen, dass nur diejenigen individuell einberufen werden, die eine Postadresse außerhalb des Territoriums angegeben haben).

III. Artikel 173.3 LSC erlaubt es zudem, dass die Satzung andere Veröffentlichungsmechanismen vorsieht als die im Gesetz erwähnten und legt der Gesellschaft die telematische Bearbeitung eines Alarmsystems auf, welches die Gesellschafter auf die durch Anzeige auf der Internetseite der Gesellschaft ergangene Einberufung hinweist.

Die Fristberechnung

I. Einberufung mittels Anzeige. Wenn die Satzung der Gesellschaft über diesen Punkt schweigt und die Gesellschafterversammlung mittels Anzeige einberufen werden soll, berechnet sich die Vorlauffrist von dem Tag der Veröffentlichung der Anzeige an, wobei der Tag der Versammlung selbst nicht mitgezählt wird.

Beispielsweise sind Beschlüsse nicht gültig, die am 6.10. von der Gesellschafterversammlung getroffen wurden, wenn mittels diese Anzeige in einer großen Zeitung vom 21.9. und Veröffentlichung im BORME am 22.9. einberufen wurde. Die Vorlaufzeit läge hier bei 14 Tagen, vom 22.9., dem Tag der Veröffentlichung im BORME, bis zum 5.10., beide Tage mit eingerechnet.

II. Einberufung durch individuellen schriftlichen Bescheid. Anders, wenn jedem Gesellschafter die Einberufung schriftlich und individuell mitgeteilt wird. In diesem Fall sieht Artikel 176.2 LSC vor: „die Frist wird ab dem Datum berechnet, an dem der letzte Gesellschafter seine Einberufung erhalten hat.“

Wenn die Einberufung der Gesellschafterversammlung per Einschreiben allen Gesellschaftern am 12.6. zugestellt wird, und die Versammlung am 27.6. stattfindet, ist die Einberufung der Versammlung ebenso wirksam, wie die in ihr getroffenen Beschlüsse, unabhängig vom konkreten Empfangsdatum der einzelnen Mitteilungen.

III. Andere Veröffentlichungsmechanismen

Literaturmeinung und Rechtsprechung

Die aktuell in der Literatur und der Rechtsprechung vertretene Meinung besagt, dass die Berechnung der Frist vorgenommen werden muss, indem man den Tag der Veröffentlichung und nicht den der Wahrnehmung durch die Empfänger als ersten Fristtag zählt, wobei der Tag der Versammlung selbst nicht eingerechnet wird.

Dies wurde durch die Entscheidung des Hauptsamts der Register und Notariate (DGRN) vom 5.7.2016, veröffentlicht im offiziellen staatlichen Mitteilungsblatt (BOE) vom 12.8.2016, bestätigt, die ein gegen eine ablehnende Entscheidung des Handelsregisterbeamten von Madrid betraf, eine notariell beglaubigte Urkunde über Beschlüsse einer Gesellschafterversammlung einzutragen (BOE A-2016-7820).

In der erwähnten Entscheidung, wie in vielen vorhergegangenen, legt das DGRN ihre Doktrin zu dem außer Kraft getretenen früheren Artikel 97 des Aktiengesellschaftsgesetzes (subsidiär auf die GmbH anwendbar) dar. Nicht der Artikel 5 des Código Civil (CC) sein anwendbar, sondern es muss eine Frist von mindestens 15 Tagen gegeben sein zwischen der Veröffentlichung der Anzeige und der Gesellschafterversammlung, weshalb keiner dieser Tage in die Frist eingerechnet werden sollte. Das oberste spanische Gericht (Tribunal Supremo) vertrat in seinen Entscheidungen vom 28.3.1968 und 5.3.1987 ebenfalls diese Meinung.

Jedoch änderte der Tribunal Supremo später seine Meinung und in den Entscheidungen vom 29.3.1994 und 21.11.1994 vertrat er, dass bei der Fristberechnung als erster Tag der Frist der der Veröffentlichung der Einberufung der Versammlung (oder der individuellen Mitteilung an die Gesellschafter) gelten soll und der Tag der Versammlung nicht mitgerechnet wird.

Diese Sicht der Rechtsprechung wurde sodann vom Hauptsamt der Register und Notariate (DGRN) in seinen Entscheidungen vom 10.7.1995 und 6.11.1995 übernommen, welche die zuvor offiziell vertretene Interpretation auch im Hinblick auf den Artikel 46.3 des außer Kraft getretenen GmbH-Gesetzes, dem Vorgänger des Art. 176 LSC, anwendbar auf die Fälle der individuellen Einberufung der Gesellschafter, rektifizieren.

Kommentar

Aufgrund des ausdrücklichen Willens des Gesetzgebers können die Gesellschafter, wenn das Verwaltungsorgan die Gesellschafterversammlung mittels auf der Firmenseite oder im BORME und einer großen Tageszeitung veröffentlichter Anzeige einberufen hat, von der Einberufung seit dem Tag ihrer Veröffentlichung wissen, und ab diesem Tag beginnt die gesetzlich geforderte Vorlauffrist zu laufen.

Es ergibt sich jedoch der Widerspruch, dass, wenn die Einberufung mittels individueller Mitteilung an jeden Gesellschafter erfolgt, diese von der Existenz der Einberufung erst mit Empfang des Bescheids erfahren, wenn auch die Vorlauffrist bereits mit der Versendung des Briefs an den letzten Gesellschafter beginnt. Hieraus ergibt sich in der Mehrheit der Fälle, dass der Gesellschafter, dem die Einberufung individuell mitgeteilt wird, weniger Zeit für die Ausübung seiner Rechte, wie dem der Information oder Repräsentation, hat.

Das Mittel der Einberufung, welches am vorteilhaftesten für die Garantie der Rechte der Gesellschafter erscheint, ist die Veröffentlichung der Einberufung durch eine Anzeige auf der Internetseite der Gesellschaft, begleitet von einer Regelung in der Satzung, welche der Gesellschaft die telematische Ausarbeitung eines Alarmsystems auferlegt, dass die Gesellschafter auf die Veröffentlichung einer solchen Anzeige hinweist.

 

 

Carla Villavicencio

Vilá Abogados

 

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23. September 2016